3. Ostersonntag:   
Am Abgrund
    

Im Fernsehen wurde neulich der Supermarkt der Zukunft vorgestellt. Ein wahrer High-Tech-Tempel. Sobald ein Kunde die Ware in die Nähe des Einkaufswagens bringt, werden alle nötigen Angaben zu dem Produkt auf einem Display am Wagen angezeigt. Wird die Ware in den Wagen gelegt, wird der Preis auf den Kassenzettel getippt, der dann an der Kasse nur noch zum Bezahlen abgegeben werden muß. Keine Warteschlangen mehr an der Kasse, und die Mitarbeiter sollen zur Beratung der Kunden mehr Zeit haben. Sollen! In Wirklichkeit aber können auf diese Weise noch etliche Mitarbeiter eingespart werden.
Wir stehen mit unserem Sozialstaat am Abgrund, und was uns fehlt, sind Politiker mit Visionen, die wie ein guter Hirte noch das Gespür haben, wo es die saftigen Weiden gibt, und, daß man sie nicht gleich um die Ecke findet, sondern vielleicht weite und harte Wege gehen und manche Durststrecke überwinden muß.
Die Menschen wollen keinen Hirten mehr, sondern einen Kundenbetreuer, die ihnen nach Art der perfekten Servicegesellschaft nur das Blaue vom Himmel reden. Und das müssen sie schon, die Kundenbetreuer in Wirtschaft und Politik, sonst werden sie ihre Ware nicht los oder eben nicht wiedergewählt.
Und an dem gleichen Abgrund bewegen sich die Menschen, die ihre Kirche als Dienstleistungsbetrieb sehen. Sie meinen, sie tun den vermeintlichen Kundenbetreuern einen Gefallen, wenn sie sich für ihr "Angebot" interessieren. Da wäre doch sicher ein Verhandlungspotential zu erwarten. Ein Rabatt auf die grüne Weide sozusagen.
Der gute Hirt gibt sogar mehr als einen Rabatt, er gab sein Leben hin. Aber Hirten wollen die Menschen ja nicht mehr sondern Kundenbetreuer. Hat die Kirche aber nicht, nur Hirten, meist mittelmäßige, aber auch einen Guten.

 


(C) 2003 Heribert Ester