Karfreitag:   
Aus dem Rahmen gefallen
    

"Nicht jeder, der aus dem Rahmen fällt, war vorher auch im Bilde." – Eigentlich ja faszinieren mich Menschen, die irgendwie aus dem Rahmen fallen. Das hat sicher mit meiner Vorliebe für das nicht Alltägliche zu tun. Aber es stimmt schon: bei vielen ist das Außergewöhnliche so banal wie das Gewöhnliche, weil es keinen Hintergrund hat, kein Bild, aus dem es hervortritt, und keinen Rahmen, auf den bewußt verzichtet wird, um das Bild zu erweitern.
Nicht so bei Jesus, den die Juden in Jerusalem einst den Messias nannten. Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, das Abbild des Vaters. Sein Hintergrund ist die Jahrtausende alte Verheißung an den Menschen, die im Volk aber verkümmert und verloren ist unter einer Kruste von toten Gebräuchen und nicht weniger leblosen Traditionen. Tradition, die zum Selbstzweck wird, tötet jeden neuen Gedanken. Was blieb es da dem Abbild Gottes anders übrig, als diesen Rahmen zu verlassen und den Hintergrund, die Liebe des Vaters zu öffnen für die Menschen, die er am Kreuz mit ausgebreiteten Armen umschließt. So öffnet er das Bild nach unten, zum Grab hin, aus dem das neue Leben hervortritt, ein Leben, das nicht im Rahmen der unserer Vorstellung war, ein Leben, das jedoch zum Bild gehörte von Anfang an, nur aber ausgesperrt war.
Nicht jeder, der aus dem Rahmen fällt, war vorher auch im Bilde. Aber Er, der das Bild der Liebe schlechthin ist, Er kann es sich leisten, aus dem Rahmen zu fallen, und uns wird seine Tat zum Heil.
Wenn Sie in der Feier des großen Ostergottesdienstes das Bild etwas weiter unten betrachten, erleben Sie ein wahrhaft frohes Osterfest.

 


(C) 2003 Heribert Ester