5. Ostersonntag:   
Den Duft nicht verlieren    

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einer Flasche guten Parfums. Eine Frau, die sie beschenkt bekam, öffnete sie und verschloß sie sogleich, damit nichts von diesem kostbaren Duft verloren ginge. Eine andere betupfte zaghaft ihren Finger und benetzte ihre Schläfen. Doch nur für einen Augenblick veränderte dieser Duft ihre Welt, und als er verströmt war, war wieder alles beim alten. Eine dritte Frau wiederum freute sich so sehr, daß sie jeden morgen den Duft reichlich auftrug, ohne Angst, ohne Geiz. Als aber das Parfum aufgebraucht war, hatte es die Welt so sehr verändert, daß niemand traurig war. Es war, als läge der Duft noch in der Luft, als habe der Wohlgeruch dieses Geschenks die Welt unverlierbar geprägt...
Ist nicht genau dies an Ostern geschehen, daß mit dem Tod, ja sogar mit der Auferstehung Jesu die Liebe Gottes ein für alle Mal aufgebraucht schien.
Geht es nicht vielen so, daß sie sich von einer 50tägigen Osterzeit überfordert fühlen und denken, der Duft von Ostern müsse nun doch langsam dem Duft Würstchen weichen, der spätestens am sogenannten "Vatertag" dann tatsächlich wieder reichlich in der Luft liegt.
Vielleicht ist es mit dem Weihrauch, den wir im Gottesdienst zum Lob Gottes verwenden, ganz ähnlich. In Zeiten, wo Parfum ein unerschwinglicher Luxus für Könige war, wurde der Weihrauch als Wohltat empfunden, heute dagegen, wo schon Kinder in Duftöl gebadet werden können, meinen manche, Weihrauch nicht zu vertragen. Aber genau darum geht es beim Reich Gottes: Es will seinen Duft in diese Welt tragen, nicht um den Preis der Zustimmung sondern der Erkennbarkeit.


(C) 2002 Heribert Ester