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Bischöfe wurden zu sehr von Rom bevormundet
Der Trierer Altbischof Spital zieht eine kritische Bilanz der bisherigen Amtszeit des Papstes

Frage: Was hat sie an Johannes Paul II. in dessen bisher 25-jähriger Amtszeit am meisten beeindruckt?
Spital: Mich hat beeindruckt, wie dieser Papst Einfluss genommen hat während der Wende 1989/90 in den Ostblockländern. Hier haben seine klare Konzeption und seine Bereitschaft, für seine Überzeugung einzustehen, eine entscheidende Rolle gespielt. Das war schon eine gewaltige Leistung, zumal die Wende fast unblutig vonstatten gegangen ist.

Frage: Und worin sehen Sie, wenn Sie die bisherige Amtszeit Revue passieren lassen, die größten Defizite?
Spital: In der immer noch stark zurückgeschnittenen Stellung der Frau in der Kirche. Die Frau wird in einer Weise zurückgesetzt und an der Mitbestimmung an manchen Stellen gehindert, dass wir das überdenken müssen.

Frage: Sie denken da an die neuerlichen Bestrebungen aus Rom, Mädchen nicht mehr als Ministrantinnen zuzulassen.
Spital: Diese Bestrebungen sind einfach lächerlich. Dahinter steht die blanke Angst in Rom, dass die Zulassung als Messdienerinnen Dämme im Hinblick auf die Zulassung von Frauen für andere kirchliche Ämter brechen lassen würde.

Frage: Ist es aus Ihrer Sicht vorstellbar, dass Frauen in der katholischen Kirche als Diakoninnen tätig sind?
Spital: Solange die katholische Theologie überwiegend der Meinung ist, das es ein Priesterweihesakrament in drei Stufen gibt, würde dies die Zulassung der Frau zum Weihesakrament bedeuten, und damit wäre es schwierig zu erklären, warum sie dann nicht auch Priesterin werden kann. Wenn man aber sagt - wie es das Konzil nahelegt -, der eigentliche Priester ist der Bischof, und der hat einen rechten Arm und einen linken Arm, der eine ist der Diakonat, und der andere ist das Priesteramt, würde das Frauen ermöglichen, Diakoninnen zu werden.

Frage: In der Frage des Priesterzölibats hat sich in den letzten 25 Jahren ebenfalls nichts bewegt. Wie bewerten Sie das?
Spital: Auch das ist eine Frage, die diskutiert werden muss. In der Schrift steht, es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist, und darum hat Gott die Eva dem Adam zur Seite gestellt. Da stellt sich schon die Frage, ob die Kirche das Alleinsein des Menschen zum Ideal erheben kann. Ich denke, wir müssten da flexiblere Lösungen finden. Es gibt ja schon katholische Diözesen in den unierten orthodoxen Kirchen etwa in Vorderasien, wo verheiratete Männer Priester sein können.

Frage: Es gibt die bekannte Klage über den "römischen Zentralismus", der unter Johannes Paul II. herrsche.
Spital: Die Kirche funktioniert nur gut, wenn das Papstamt das Bischofsamt achtet. Da ging die Tendenz des zweiten Vatikanums hin. Demgegenüber sind manchmal die Bischofskonferenzen in den letzten Jahren zu sehr von römischen Entscheidungen bevormundet worden.

Frage: Vielleicht haben diese sich auch zu sehr bevormunden lassen?
Spital: Die Bischofskonferenzen haben hier in den letzten Jahren ihre Möglichkeiten nicht genügend wahrgenommen. Sie sollten auch versuchen, sich gegen römische Linien durchzusetzen, zum Teil auch gegen den Papst, wenn das mal im Einzelfall sein muss. Da müssten sie schon ihre Autorität mal nach vorne schieben. Das hat das Zweite Vatikanische Konzil auch ganz deutlich gesagt. Ich denke etwa an die Frage, ob Laien predigen können, was von Rom zunächst erlaubt und dann wieder zurückgenommen wurde. Das sind Fragen, wo man wirklich ernsthaft streiten muss.

Quelle: Saarbrücker Zeitung 16.10.2003 Text-ID:a20025844

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