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Hingabe statt Opfer

Was den Opferbegriff betrifft, wäre es wohl höchste Zeit, daß das Wort "Opfer" (im kultisch-religiösen Sinn) durch "Hingabe" ersetzt wird. Hingabe an den Willen Gottes in der Liebe zu den Menschen kann das Leben kosten, wenn sie bis zur letzten Konsequenz durchgehalten wird. Darin besteht die erlösende Bedeutung des Todes Jesu. Der christliche Osten und die unierten Kirchen kennen die westliche Sühneopfertheorie nicht, obwohl sie ebenfalls die Bildersprache der Bibel verwenden. Offensichtlich verstehen sie diese Ausdrucksweise wesentlich besser als wir Abendländer symbolisch, als Metapher.

Was die Transsubstantiantion betrifft, hat uns schon Karl Rahner als ein Beispiel für die Geschichtlichkeit der Dogmen darauf hingewiesen, daß die Vorstellung das Brot sei eine eigene Substanz (und nicht nur eine akzidentielle Anordnung von Atomen und Molekülen), unrichtig und daher diese zeitbedingte Vorstellung von der Gegenwart Jesu hinfällig sei. Weil unsere "Gemeinden" keine Gemeinden mehr sind, in denen Gläubige wirklich ihr Leben miteinander teilen, können wir die Symbolik des "Brot-Brechens" als Zeichen für das Teilen des Lebens (von Jesus mit uns und von uns untereinander) nicht mehr verstehen. "Das ist mein Leib" heißt für das hebräische Denken "Das ist mein Leben"; also nicht nur "mein Leib". Wenn ich mit einem Menschen in diesem Sinn Brot teile, ist dieses Brot kein gewöhnliches Brot mehr, sondern Zeichen von Hingabe und Liebe. Ähnlich beim Kelch.

Diese Überlegungen führen direkt hinüber zur Kritik am "halbmagischen Verständnis des Priesters". Weil das eigentlich Gemeinte nicht mehr erfahrbar war, wurde es ersetzt durch geheimnisvolle, quasi-göttliche Vollmachten des Amtspriesters (so daß dieser als Repräsentant Christi gilt, der an seiner Stelle die Gaben verwandelt, anstatt die Gemeinde als Subjekt der Eucharistie zu sehen, die durch diese Feier zum Leib Christi in der Welt wird). Theologisch sind nicht die "Wandlungsworte" der Höhepunkt der Messe, sondern der entscheidende Satz ist die Epiklese , in der die Gemeinde Gott bittet, er möge die Gaben (und mit ihnen sie selbst) zu Zeichen der Gegenwart Christi machen.

Dr. Paul Weß, Innsbruck
Christ in der Gegenwart, 26/2003, S. 223

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