Das erneuerte Kirchenjahr
Das Osterfest
Die drei Österlichen Tage vom Leiden,
vom Tod und von der Auferstehung des Herrn sind die Mitte und der Höhepunkt
der christlichen Liturgie. So deutlich wie dies in der Reform der
Osternacht (1951) und der Erneuerung der Karwoche (1956) zum Ausdruck
kommt, war der Stellenwert dieser Tage nicht immer. Über lange Zeit
konzentrierte sich die Feier der drei Tage auf den Tod Jesu, Ostern
war eigentlich nur auf den Sonntag beschränkt. Im neu gewonnenen
Konzept gewinnt die Osterfeier nicht nur ihren ursprünglichen Vorrang
zurück, die Feiernden erleben den Karfreitag und das Osterfest
gewissermaßen als zwei Seiten einer gleichen Medaille.
Der Hohe Donnerstag (auch Gründonnerstag) ist der Einsetzung des
Abendmahles gewidmet. Um die Einheit der Gemeinde in diesem einen Mahl
zu verdeutlichen, findet an diesem Tag nur ein Gemeindegottesdienst
statt und wird den Gläubigen nach Möglichkeit die Brot- und
Kelchkommunion gereicht.
Traditionsgemäß feiert die Kirche am Karfreitag keine Eucharistie.
Im Mittelpunkt der Gedächtnisfeier des Todes Jesu stehen die Passion,
die Kreuzverehrung und die großen Karfreitagsfürbitten, an die sich
die Kommunionspendung anschließen kann. (vgl. KG S. 497). In der
Leidensgeschichte nach dem Evangelisten Johannes erscheint Jesus nicht
als der Unterliegende. Aus der Sicht dieses Berichts erweist sich der
am Kreuz sterbende Jesus als Sieger, denn "durch den Tod hat er
unsern Tod vernichtet und durch die Auferstehung das Leben neu
geschaffen" (Osterpräfation).
Konsequent verkündet auch die Osternacht Jesu Tod und Auferstehung in
Einem. Von Anfang an als Ganznachtfeier gestaltet ist sie "die
Mutter aller Vigilien" und Nachtwachen (Augustinus 4. Jh.).
"In ihr erwartet die Kirche nächtlich wachend die Auferstehung
des Herrn und feiert sie in heiligen Zeichen" (Grundordnung des
Kirchenjahres). Dieser Zeichenhaftigkeit sollte auch die zeitliche
Ansetzung der Feier entsprechen: Sie beginnt nach Anbruch der
Dunkelheit und endet vor dem Morgengrauen des Sonntags. Die
Grundstruktur der Feier ist noch immer jene von 1570 bzw. 1951:
Lichtfeier – Wortgottesdienst – Tauffeier – Eucharistiefeier.
Leider bringt diese traditionelle Struktur die Grundthematik "aus
dem Dunkel zum Licht, aus dem Tod zum Leben" nicht überzeugend
zur Geltung. Es wäre wünschbar, dass dieser klassische Ablauf ergänzt
würde durch alternative Modelle, z. B. durch die Abfolge: Gang
durch die Heilsgeschichte (Wortgottesdienst) und erst anschließend
die Lichtfeier. Das Licht der am Osterfeuer entzündeten Osterkerze
erinnert fünfzig Tage lang an die wirkmächtige Gegenwart des
Auferstandenen.
Der Gottesdienst am Ostersonntag sollte hinsichtlich Festlichkeit die
Osternacht nicht konkurrenzieren. Es wäre sinnvoll, Elemente der
Nachtfeier einfließen zu lassen: Besprengung mit dem Taufwasser der
Osternacht, Entzünden der Lichter an der Osterkerze, eventuell
Wiederholung des Taufbekenntnisses als österliches
Glaubensbekenntnis. Es empfiehlt sich, den Ostergottesdienst mit der
Vesper zu beschließen (vgl. KG S.508; 532).
Die Zeit der fünfzig Tage vom Sonntag
der Auferstehung bis zum Pfingstsonntag wird als einziger Festtag
gefeiert, als "der große Tag des Herrn" (Athanasius 4.
Jh.). Alle sieben Sonntage sind eigentliche Ostersonntage, die – wie
die Wochentage – vom Ostergeheimnis geprägt sind. Im
Wortgottesdienst der Messfeiern werden ausschließlich Texte aus dem
Neuen Testament verwendet. In der Apostelgeschichte wird beispielhaft
das Zeugnis der jungen Gemeinden und deren Aufbrüche aus der Kraft
des Auferstandenen vor Augen geführt. In den Evangelien bricht vor
allem die Osterbotschaft des Johannes durch.
Aus der Festfeier der fünfzig Tage
ragen einige Festtage besonders hervor, so etwa der vierzigste Tag,
das Fest Christi Himmelfahrt. Die vorgetragenen Lesungen, die den österlichen
Auftrag der jungen Gemeinden konkretisieren, verdeutlichen den engen
Zusammenhang mit Ostern. An Pfingsten – jetzt im Lektionar als 8.
Ostersonntag bezeichnet – findet die fünfzigtägige Feier ihren
festlichen Abschluss. Die Texte der Messfeier sind nochmals
durchdrungen vom Ostergedanken. Nachdrücklich betont dies der
johanneische Bericht von der Geistsendung am Ostertag (Joh 20,
19–23). Pfingsten ist die Frucht von Ostern, die Bestätigung der
Auferstehung Jesu und seiner bleibenden Gegenwart in der Gemeinde.
Damit hat auch das Pfingstfest seinen ursprünglichen Platz im Rahmen
der Osterfeier zurückerhalten: Es ist die "große Oktav",
die "Erfüllung" von Ostern (Introitus, Präfation).
Konsequenterweise hat das KG Lieder und Texte zum Thema "Gottes
Geist in unserer Mitte" nicht beim Pfingstfest angesiedelt,
sondern unter "Gemeinschaft mit Gott" (S. 229). Damit kann
dem verbreiteten Missverständnis, Pfingsten sei ein isoliertes
"Heiliggeist-Fest", begegnet werden.
Mit der Glaubwürdigkeit des Satzes
"Der Herr ist wahrhaft erstanden" (Lk 24,34) steht und fällt
der ganze christliche Glaube, denn "wenn Christus nicht erweckt
worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in
euren Sünden" (1 Kor 15,17). So wundert es nicht, dass das
Osterbekenntnis "Christ ist erstanden" zum eigentlich –
auch musikalischen Leitmotiv der Osterfeier wurde.
Walter
Wiesli, Quelle: Katholisches Gesangbuch
|