Das erneuerte Kirchenjahr
Die Weihnachtszeit
In zwei großen Festen bezeugen wir
unsern Glauben an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Als
ersten Termin hat die römische Kirche im vierten Jahrhundert dazu den
25.Dezember gewählt, den heidnischen Festtag des unbesiegbaren
Sonnengottes. Sie feiert damit Christus als die wahre Sonne, als das
Licht, das der Welt in seiner Geburt aufscheint. Auch der Tod vermag
dieses Licht nicht zu verdunkeln, und es wird vollends durchbrechen am
Ende der Tage. Die Kirche des Ostens hat den 6. Januar bevorzugt. An
diesem Tag feiern wir die Erscheinung (Epiphanie) des Herrn, das
Kommen dessen, dem in dieser Welt alle Macht gegeben ist. Sie
geschieht im Offenbarwerden vor den Völkern, für die stellvertretend
die Weisen dem Neugeborenen huldigen, wie auch in der Stimme Gottes
bei der Taufe Jesu im Jordan und im ersten Wunderzeichen in Kana. Das
weihnachtliche Grundgeheimnis wird weitergeführt am Fest der Heiligen
Familie (Sonntag nach Weihnachten), am achten Tag nach Weihnachten
(Neujahr), an dem der Muttergottes gedacht wird, und am Sonntag nach
Epiphanie mit dem Evangelium der Taufe Jesu.
Die Familienfeier am Heiligen Abend wird von vielen in eine häusliche
Liturgie eingebettet. Vor oder nach dem Weihnachtsgottesdienst
versammelt sich die Familie daheim vor der Krippe, die das Geschehen
der Heiligen Nacht darstellt. Dort liest der Vater oder die Mutter das
Evangelium von der Geburt des Herrn. Auf dem Hintergrund dieser
Geschichte empfinden wir unser liebgewordenes Brauchtum viel dichter:
den Christbaum, der uns an den Baum des Lebens erinnert und an
Christus, das Licht der Welt. Der Reichtum unserer Weihnachtslieder lässt
uns den Grund unseres Feierns und Schenkens besser spüren: Gott
schenkt uns seinen eigenen Sohn.
Nach altem christlichem Brauch werden an Epiphanie (Dreikönig) die
Wohnungen gesegnet. Zum Zeichen dafür, dass unsere alltäglichen
Lebensräume an Gottes Heilswirken Anteil haben, soll diese
Segensfeier von den Eltern zusammen mit der ganzen Familie gehalten
werden. In diesem Brauchtum, das über unseren Ein- und Ausgängen für
das ganze Jahr ein sichtbares Zeichen hinterlässt, wird das Geschehen
von Weihnachten nochmals konkret greifbar. Mancherorts gehen in diesen
Tagen die Sternsinger um. Sie erinnern an den Aufbruch der Heiden zu
Christus und führen mit ihrer Gabensammlung für die Weltmission
unser Denken über die weihnachtliche Stube hinaus.
Kein christliches Fest ist in seinem
Umfeld so vielfältig vernetzt mit dem Brauchtum, mit Kommerz
Erinnerungen, Erwartungen und Sehnsüchten. Und keines bietet sich so
leicht dazu an, es seiner religiösen Wurzel zu entblößen. Denn mit
Stichworten wie Nacht, Kind, Geburt, Menschwerdung, und etwas Stimmung
und humanitärem Gerede lassen sich unschwer Gefühle mobilisieren.
Viele haben dies durchschaut und wehren sich deshalb zusehends mehr,
mit frommen Sprüchen die erbärmliche Wirklichkeit allenthalben in
der Welt zu überdecken. Nach dem stimmungsvoll inszenierten Fest geht
ja dann bekanntlich alles weiter wie bisher. Dies allerdings ist für
Christen kein Grund, trotzig wegzuschauen und zu versuchen, der
Banalität einer verbürgerlichten Weihnacht zu entkommen. Das
Gegenteil wäre möglich: Wir besinnen uns neu auf das Eigentliche
dieses Festes. Es lässt sich nur mit anspruchsvollen gläubigen
Worten sagen. Wem der Glaube fehlt, dem bleibt der Zugang versperrt. Nämlich,
dass Gott aus seiner Hoheit und Unzugänglichkeit heraustritt und zu
uns kommt. Unscheinbar und unspektakulär tritt er in die Hütte
unseres irdischen Daseins, ganz einer wie wir. Er fängt an wie alle:
arm, gefährdet, kindlich, wehrlos. Er mischt sich in Reih und Glied,
geht unsern Weg, kostet unsere Freude und erleidet unser Elend, er
lebt unser Leben und stirbt unsern Tod. Im Teilen unsres Loses werden
wir erlöst. Zu schön um wahr zu sein, sagen die einen, oder zu
ungewohnt oder bedrohlich, dass uns Gott so nah ist, sagen andere. Es
bleibt dabei: Weihnachten ist die Zumutung, sich dem Geheimnis
anzuvertrauen, das Gott ist und bleibt. Viele wagen es, auch Menschen,
die Gott nicht kennen oder nennen. Sie haben verstanden, was
Weihnachten meint.
Walter
Wiesli, Quelle: Katholisches Gesangbuch
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